Juni im Jahr 793. Eine schreckliche Nachricht verbreitet sich rasend schnell in England. Seefahrer aus dem Norden haben das Kloster Lindesfarne an der Ostküste der Insel überfallen. Die Mönche und Bewohner des Klosters, die nicht fliehen konnten, wurden getötet oder verschleppt. Alles was irgendwie wertvoll war, Geschirr aus Edelmetall, Bücher, Kunstwerke nahmen die Räuber mit zum Strand, wo sie ihre Langboote zurückgelassen hatten. Die Menschen in England sind entsetzt. Wer waren diese Männer, die über das Meer kamen und einen wehrlosen, heiligen Ort überfielen und plünderten? Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass ähnliche Überfälle bald überall in Europa stattfinden würden. Nicht nur in England sondern auch in Irland, dann in Frankreich, Spanien, in den deutschen Städten entlang des Rheins, sogar entlang der großen Flüsse Osteuropas gab es kleinere und größere Überfälle. Das Zeitalter der Wikinger hat begonnen.
Etwa hundert Jahre später, im Norden von Frankreich. Im ganzen Land wird ein großes Fest gefeiert. Nach einem erbitterten Krieg schloss der Wikingeranführer Rollo mit dem König des Westfränkischen Reichs Frieden. Er heiratete eine Tochter des Königs und ließ sich als Zeichen, dass er Christ geworden ist, taufen. Rollo wurde ein Fürst im Westfränkischen Königreich und er und seine Nachkommen herrschten von nun an über ein Gebiet, was bis heute nach den „Nordmännern“ benannt ist: der Normandie.
Wieder etwa 70 Jahre später. Eine kleine Gruppe von Langbooten kämpft sich durch die eiskalten Wellen des Atlantiks in Richtung Westen. Von den ursprünglich 25 Schiffen, mit denen die Flotte Island verließ, sind nur noch 14 übrig. An der Spitze der vordersten Schiffes starrt Erik der Rote angestrengt durch den Nebel auf die Küste, die am Horizont zu sehen ist. Es war also wahr. Seefahrer, die vom Sturm abgetrieben wurden, hatten ihm von einem unbesiedelten Land weit im Westen berichtet. Perfekt, um ein neues Leben anzufangen. Wie schon sein Vater, musste auch Erik mit seiner ganzen Familie vor der grausamen Rache einer andern Familie fliehen und Island verlassen. Aber war dieses karge Land, das er später Grönland – in seiner Sprache Grünland – nannte, überhaupt geeignet, um sich dort niederzulassen und Siedlungen zu gründen?
Woher kamen die Wikinger?
Die Wikinger lebten in den Ländern, die wir heute Dänemark, Norwegen und Schweden nennen. Dort gab es keine großen Städte, sondern viele kleine Dörfer. Die meisten Wikinger waren Bauern, Fischer oder Handwerker. Aber einige von ihnen wurden zu mutigen Entdeckern – und manchmal auch zu furchtlosen Kämpfern.
Großartige Schiffbauer und Seeleute

Die Wikinger waren tolle Schiffsbauer. Ihre Schiffe, die Langboote, konnten über das offene Meer fahren, aber auch auf Flüssen segeln. Damit reisten sie sehr weit – sogar bis nach Island, Grönland und Amerika. Und das lange, bevor Kolumbus dort war!
Krieger und Händler
Viele Leute denken, Wikinger waren nur wilde Kämpfer mit gehörnten Helmen – aber das stimmt so nicht! Die Helme hatten keine Hörner. Die wären viel zu schwer und unhandlich, um sich darin zu bewegen und zu kämpfen. Sie waren auch nicht immer auf Raubzug.
Viele Wikinger waren Händler, die mit Silber, Pelzen oder Stoffen aber häufig auch mit Sklaven handelten. Auf ihren Handelsreisen kamen sie an die verschiedensten Orte in ganz Europa, von Spanien bis in die Ukraine. Andere waren Bauern oder wie Erik der Rote Entdecker. Häufig ließen sich Wikinger an denen von ihnen entdeckten oder eroberten Orten nieder und wohnten dann dort. Wie zum Beispiel Rollo, der ein mächtiger Fürst in Frankreich wurde oder auch Erik der Rote, der mehrere Siedlungen in Grönland gründete. Manche Wikingerkrieger kämpften für Geld für fremde Könige zum Beispiel in Italien oder im Oströmischen Reich. Die Wikinger hinterließen Spuren in ganz Europa, die man bis heute finden kann.

Ihre Götter und Geschichten
Die Wikinger glaubten an viele Götter: Odin war der weise Göttervater, Thor der Donnergott mit seinem Hammer, und Freya war die Göttin der Liebe. Sie glaubten, dass tapfere Krieger nach dem Tod in eine große Halle namens Walhall kommen – dort wird gefeiert, gegessen und gekämpft.
Später ließen sich viele Wikinger taufen und wurden Christen.

Viele Geschichten der Wikinger wurden nur mündlich, zum Teil als Lieder oder Gedichte weitererzählt. Die Wikinger hatten einen eigenen Beruf, der dafür zuständig war: die sogenannten Skalden. Das waren eine Mischung aus Dichtern und Geschichtsschreibern; sie schrieben Gedichte über wichtige Ereignisse.
Die Wikinger schrieben mit Runen auf Steine, die dann wie Denkmäler aufgestellt wurden. Darauf wurde meistens an große Taten der Wikinger erinnert.
Wie lebten die Wikinger?
Die Wikinger wohnten meist als gesamte Familie zusammen mit ihren Dienern und Angestellten in Langhäusern. Sie waren geschickte Handwerker, die aus Holz kunstvoll verzierte Möbel bauten, aus Metall prächtige Waffen oder Schmuck schmiedeten oder fein gearbeitete Kleidung und Teppiche herstellen konnten. Die Wikinger aßen viele verschiedene Speisen, je nachdem wo sie wohnten. Sie bauten selbst Getreide oder Gemüse an, hielten Schafe, Rinder und andere Tiere, jagten und fischten. Manchmal gab es sogar Früchte oder Gewürze aus weit entfernten Ländern, die sie von ihren Handelsreisen oder Raubzügen mitbrachten.
